Wenn Mitarbeiter nicht so „funktionieren“, wie sie sollten, suchen wir oftmals die Ursache dafür in der Persönlichkeit der Menschen.
- weil der Herr X ein Kontrollfreak ist.
- weil die Frau Y einfach zu nachlässig ist.
Intuitiv appellieren wir dann: „Sie müssen sich mehr engagieren, sie sollten weniger …. usw.“
Das ist menschlich nachvollziehbar, jedoch – wie wir aus Erfahrung wissen – wenig nachhaltig.
In unserer heutigen Podcast-Episode sprechen wir darüber, warum Menschen sich zwar nicht immer wunschgemäß verhalten, aber immer Kontext-konform.
Nein, wir wollen dabei nicht absprechen, dass auch Persönlichkeit und Charakter Einfluss auf unser Verhalten hat. Wir sind jedoch der Ansicht – und das belegen unzählige Studien – dass der Kontext, in dem sich ein Mensch bewegt, einen noch grösseren Einfluss auf menschliches Verhalten hat.
Kurzum: Unserer Ansicht ist es weitaus wirkungsvoller, nachhaltiger und ökonomischer sich darüber Gedanken zu machen, wie Sie das System, den Kontext oder den Prozess so verändern können, dass damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass Menschen sich so verhalten, wie wir möchten, dass sie sich verhalten.
Meetings, Besprechungen, Sitzungen oder Konferenzen. All dies sind etablierte Managementpraktiken in Organisationen. Irgendwann eingeführt – und meist nie wieder in Frage gestellt – manchmal lästig, oft sogar Zeitverschwendung:
„Es ist immer dasselbe in unseren Besprechungen:
Es reden immer diesselben.
Jedes Mal kommen verlieren wir uns im Detail und kommen vom Hölzchen aufs Stöckchen.
Und jedes Mal überziehen wir die angesetzte Zeit, weil wir mit unserer Agenda nicht durchkommen.
Wir brauchen dringend eine andere effizientere Meetingkultur.„
So oder ähnlich klagen viele unserer Kunden – nicht nur was Meetings betrifft. Man ist sich ziemlich einig darüber, wo was genau klemmt, hat x Mal an das Team appelliert und jedes Mal ist es das Gleiche: Nach anfänglicher Euphorie fällt man über kurz oder lang in alte destruktive Verhaltensweisen zurück.
Neue Rolle – neues Mindset
Umso erstaunlicher ist es, wie es Menschen scheinbar mühelos gelingt, andere Verhaltensweisen konsequent und nachhaltig zu demonstrieren, wenn sie andere Rollen einnehmen.
Wenn Sie systemische Familien- oder Organisationsaufstellungen kennen, wissen Sie, was ich meine. Kaum steht ein Stellvertreter in einer Aufstellung, verändert sich oftmals sein kompletter Habitus.
Oder denken Sie einmal an die Metamorphose, die werdende Mütter und Väter erleben. Da wird – manchmal über Nacht – aus einem Party-Löwen ein verantwortungsvoller und fürsorglicher Vater. Auf fast magische Weise entwickeln sich mit der neuen Rolle neue Fähigkeiten, neue Verhaltensweisen – ein neues Mindset: Wir kommen über Wochen und Monate mit nur halb so viel Schlaf aus, unsere Sinne schärfen sich und unsere Emotionen schlagen Purzelbäume.
Weniger dramatisch, aber nicht minder offensichtlich ist das veränderte Mindset, wenn wir eine neue berufliche Rolle einnehmen.
Das Phänomen, dass mit einer neuer Rolle fast vollautomatisch auch ein neues Denken und Tun die Bühne betrifft, haben viele Autoren plastisch beschrieben. Und auch wie wir dies für uns bewusst nutzen können:
Der britische Mediziner und Kognitionswissenschaftler Edward de Bono hat im Rahmen seines Denkkonzeptes „Laterales Denken“ die Technik der „Sechs Denkhüte“ vorgestellt. Jeder „Denkhut“ steht dabei für einen bestimmten Denkstil, z.B. der weiße Hut für die Konzentration auf Tatsachen und Fakten oder der gelbe Hut für optimistisches Best-Case-Denken.
Im Psychodrama des österreichischen Arztes Jacob Moreno werden z.B. innere Konflikte dadurch bearbeitet, dass die beiden widerstrebenden Teile eines inneren Konfliktes externalisiert und von zwei anderen Personen „gespielt“ werden.
Im NLP (Neurolinguistisches Programmieren) gibt es z.B. das „Disney-Strategie“, in der die vier Rollen „Träumer“, „Realist“, „Kritiker“ und „neutraler Moderator“ in einer Art Rollenspiel dafür eingesetzt wird, eine Aufgabenstellung aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten.
Auch wenn die Kontexte unterschiedlich sein (Kreativität, Psychotherapie etc.) – das Prinzip ist ähnlich: Durch einen Rollenwechsel betrachten wir die Welt anders, entwickeln in der Rolle unbewusst und nahezuohne Anstrengung völlig neue Denk- und Verhaltensweisen und sprengen damit die Ketten von alten Konditionierungen – vorausgesetzt wir können uns mit der neuen Rolle rational und emotional identifizieren.
Warum funktioniert das?
Ständig prasseln Millionen von Informationen auf unsere Sinnesorgane. Wir sieben diese Informationsflut unbewusst durch eine Reihe von Wahrnehmungsfilter, d.h. wir löschen vieles, verallgemeinern Informationen oder verzerren diese. Was „übrig“ bleibt ist unsere ganz persönliche und subjektive „Wirklichkeit“ der Situation. Wenn wir nun eine Rolle einnehmen, mit der wir uns kognitiv und emotional stark identifizieren, dann verrichten auch hier unsere Wahrnehmungsfilter ihre Arbeit – nun jedoch fokussiert auf die Rolle. Wir fokussieren uns auf das, was aus dieser Rolle relevant erscheint und blenden Unwichtiges aus – und dementsprechend verhalten wir uns Rollen-adäquat.
Rollenwechsel in Meetings nutzen
Diesen psychologischen Wirkungsmechanismus können Sie dazu nutzen, um z.B. Ihre Meetings effektiver und effizienter zu gestalten.
- Schritt 1: Identifizieren Sie typische Hürden, die die Kommunikation in Ihren Meetings behindern, z.B. es reden immer dieselben, zu einseitige Sichtweisen, Überschreiten der Meetingdauer.
- Schritt 2: Definieren Sie gemeinsam im Team einige hilfreiche Rollen, die die oben genannten Hürden minimieren oder sogar abstellen. (siehe dazu Liste weiter unten)
- Schritt 3: Definieren Sie für jede Rolle klare Aufgaben und Verhaltensweisen.
Beispiel-Rolle: Prinzipien-Wächter
Aufgabe: Hat die Aufgabe, die Einhaltung gemeinsam definierte Prinzipien zu wahren. Interveniert sobald er den Eindruck hat, dass Vereinbarungen nicht eingehalten werden. - Schritt 4: Für das Meeting relevante Rollen werden verteilt. Dies geschieht auf freiwilliger Basis. Dabei sind wenige Rollen mehr. Ideal ist, wenn die Auswahl der Rollen stärkenorientiert geschieht. Zu Beginn ist es sinnvoll, wenn jeder sich die Rolle nimmt, in der er oder sie am besten ist. Mit etwas Erfahrung mit den Meetingrollen können Rollen, in denen man ungeübt ist, den Zusatzeffekt einer persönlichen Weiterentwicklung bieten, wenn z.B. der eher analytische Kollege aus dem Controlling einmal die Rolle des Querdenkers übernimmt oder die eher spontane Kollegin aus dem Marketing die Rolle der Prinzipien.
Hier zum Schluss ein paar Ideen zu möglichen Meetingrollen:
- Prinzipienwächter*in: Hat die Aufgabe, die Einhaltung gemeinsam definierte Prinzipien zu wahren. Interveniert sobald er den Eindruck hat, dass Vereinbarungen nicht eingehalten werden
- Time-Keeper*in: Hat die Aufgabe, auf die genaue Einhaltung der vorher definierten Zeitrahmen zu achten.
- Pausenwächter*in: Hat die Aufgabe, für die Einhaltung von Pausen und die Aktivierung zwischendruch zu sorgen (Frischluft, Power-Breaks)
- Kunden-Agent*in: Hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass „der Kunde“ nicht aus dem Fokus gerät.
- Kollegen-Agent*in: Hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Kollegen*innen nicht aus dem Fokus geraten.
- Querdenker*in: Hat die Aufgabe, unbequem zu sein und Ideen, Vorschläge zu hinterfragen, wenn zuviel Konsens in der Gruppe droht.
- Big-Chunker*in: Hat die Aufgabe, zu intervenieren, wenn sich Diskussionen unangemessen im Detail verlieren: „Sorry, Leute und was hat das mit unserem Agendapunkt zu tun?“
- Small-Chunker*in: Hat die Aufgabe, das Team wieder auf den Boden des Konkreten zurück zu holen, wenn es allzu abstarkt, visionär und abgehoben wird : „Ok, Und was wäre dazu jetzt ein guter erster konkreter Schritt?“
- Fokus-Wächter*in: Hat die Aufgabe, die Gruppe zurück auf den Punkt zu führen.
[An diesem Artikel schreiben und feilen wir gerade…. er kann sich also noch ändern]
Der Artikel in Kürze:
In den letzten Jahren haben sich die ökonomischen Spielregeln so verändert wie das letzte Mal vor 100 Jahren. Um diesen Wandel besser zu verstehen, eignet sich das Modell der sog. „Taylor-Wanne“. Dieses Modell von Gerhard Wohland beschreibt trefflich zwei enorme Veränderungsphasen in unserer Wirtschaftswelt. Es bietet uns darüberhinaus auch einige recht pragmatische Ansätze, wie wir als Unternehmen auf die VUCA-Welt adäquat reagieren können.
bis ca. 1900 – die rote Welt der Manufaktur
Bis ca. 1900 hatten die meisten Märkte auf Grund hoher Transportkosten nur eine begrenzte Reichweite. Denken Sie an einen kleinen klassischen Handwerksbetrieb mit einem Meister, einigen Gesellen und Lehrlingen. Der Markt dieses Betriebes war lokal, Kunden akquirierte man durch Mund-zu-Mund Propaganda höchstens noch zwei Dörfer weiter. Es wurden meist Auftragsarbeiten in Form von Einzelanfertigungen erledigt. Wir sprechen hier von einer „Wertschöpfung der Ausnahme“. Man war in seinem kleinen Markt eng vernetzt, flexibel, kundenorientiert und auch innovativ, da jeder Auftrag irgendwie einzigartig war.
Schon zu Zeiten der Manufakturen gab es also schon Fertigung mit relativ hoher Komplexität. Der Physiker und Management-Vordenker Gerhard Wohland spricht hier von einer „roten Welt“, als Metapher für Lebendigkeit, wenn Sie so wollen für eine Art „Agilität 1.0“
um ca. 1900 – Übergang in die blaue Welt der Industrialisierung
Mit dem exponentiellen Ausbau der Eisenbahn- und Strassennetze sanken die Transportkosten und binnen weniger Jahre war der Zugang zu einem neuen Massenmarkt mit einer enormen Kaufkraft entstanden. Konkurrenten störten kaum noch, da man ihnen auf diesen neuen Verkäufermärkten einfach ausweichen konnte.
Kleine Handwerksbetriebe wuchsen zu Unternehmen. Doch man stellte schnell fest, dass die Organisationsstrukturen der bisherigen Manufaktur (Kommunikation über die Werkbank, jeder macht gerade das, was anfiel usw.) auf ein Unternehmen mit 50, 100 oder 500 Arbeiter nicht passte.
Zudem wechselte der Fokus vieler Unternehmen – wie immer in hungrigen Verkäufermärkten – weg vom Kunden und hin zu der Optimierung der eigenen Abläufe, um die immense Nachfrage zu organisieren.
Da kam das „Scientific Management“ von Frederick Winslow Taylor genau richtig.
Frederick Winslow Taylor und sein „Scientific Management“
Frederick W. Taylor (1856-1915) wuchs in einer reichen Quäkerfamilie in Pennsylvania auf. Er begann 1874 eine Lehre als Werkzeugmacher und Maschinist und avancierte recht schnell zum Vorabeiter im Midvale Stahlwerk. Er absolvierte ein Ingenieustudium und wurde 1884 zum leitenden Ingenieur bei Midvale.
Vielleicht lag es daran, dass Taylor schon als Kind eine starke Neigung zum Analysieren und Experimentieren hatte. Auf alle Fälle begann er mit ersten Rationalisierungsmassnahmen bei Midvale, die leider nicht nur Erfolge zeigten, sondern auch Konflikte auf den Plan riefen, worauf sein Arbeitsvertrag nicht verlängert wurde. Taylor beschloss, fortan als Unternehmensberater zu arbeiten und entwickelte den theoretischen Hintergrund industrieller Massenfertigung – 1911 erschien sein Werk „The Principles of Scientific Management“.
Die 4 Prinzipien von Frederick W. Taylor
- Prinzip: Die Trennung von Kopf- und Handarbeit
Um Arbeitsabläufe so rationell als möglich zu gestalten, sollte nach Taylor nur noch „oben“ in der Leitung gedacht und geplant werden und „unten“ an der Werkbank nur noch gemacht werden. Mitdenken war also nicht (mehr) gefragt oder sogar schädlich. Die Arbeiter sollten wie Maschinen funktionieren, da alle Arbeiten auf skalierbaren Ursache-Wirkungszusammenhängen beruhten.
Henry Ford, der als einer der ersten Taylors Ansätze an seinen Fliessbändern umsetzte, soll einmal gesagt haben: „Ich wollte nur zwei Hände einstellen und bekam jedes Mal einen Kopf dazu.„ - Prinzip: Anreize zur Arbeitsausführung
Die Erreichung bzw. die Überschreitung des Arbeitspensums sollte nach Taylor mit (damals geringfügigen) Prämien belohnt werden. - Prinzip: Arbeitsteilung
Von eine rigide Arbeitsteilung, in der Aufgaben in kleine – selbst von ungelernten Arbeitern – durchführbare Schritte zerlegt wurden, versprach sich Taylor eine enormen Produktivitätszuwachs und eine nahezu vollständige Unabhängigkeit vom Können der Arbeiter. - Selektion & Instruktion der Arbeiter
Gezielte und systematische Personalauswahl „The right man in the right place“ und ein gezieltes Trainieren der Arbeitsschritte (siehe Prinzip 3) rundeten das Konzept ab.
Bei aller Kritik am sog. „Taylorismus“ (Entfremdung von der Arbeit, Zerlegung der Wertschöpfung in kleinste repetitive Arbeitsschritte usw.) wird es kaum abzustreiten sein, dass diese und ähnliche Konzepte wesentlich dazu beitrugen, den Übergang von der Einzelfertigung der Manufaktur in die erfolgreiche Massenfertigung des Industriezeitalters zu ermöglichen.
Und es funktionierte….
Und falls Sie nun in den Prinzipien von Taylor auch ein paar Praktiken in Ihrem Unternehmen wieder erkennen z.B. „Oben wird gedacht – unten wird gemacht“ oder Prämien und Boni-Systeme), dann ist das kein Zufall. Vieles von dem, was Taylor damals beschrieben hatte, funktionierte in immer wieder leicht abgewandelter Form Jahrzehnte recht gut – solange zwei Faktoren relativ stabil blieben:
- die Veränderungsgeschwindigkeit (Dynamik)
- die Komplexität
Ein recht gutes Beispiel aus dieser Zeit ist die Schallplatte. Das Grammophon als Gerät zur Aufzeichnung und Wiedergabe von Tönen wurde 1887 von Emil Berliner erfunden. Die ersten Serienfertigungen kann man im Jahr 1892 ansetzen. Aus heutiger Sicht nahezu unfassbar: Im Grunde blieb die Schallplatte nahezu 100 Jahre unverändert bis Mitte der 1980 die CD erschien.
Tayloristische Strukturen waren und sind also nicht per se falsch. Ist die Marktdynamik niedrig, sind sie konkurrenzlos schnell und effizient. Aber: So ökonomisch erfolgreich wie tayloristisch geführte Organisationen in stabilen, sich kaum verändernden Märkten waren, eines sind sie nicht: Robust in hoch dynamischen Umgebungen.
Zurück in die Gegenwart
hier geht es die Tage weiter….
Quellen:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Frederick_Winslow_Taylor
- Grafik der Taylorwanne: Wohland/Wiemeyer: „Denkwerkzeuge der Höchstleister: Warum dynamikrobuste Unternehmen Marktdruck erzeugen.“, Unibuch Verlag
In Management, (Unternehmens-/Mitarbeiter-)Führung und Beratung werden immer wieder Fehler passieren. Warum?
Weil wir es in diesen Kontexten vorrangig mit weichen Faktoren zu tun haben, die wir interpretieren müssen:
z.B. “Wird dieser Bewerber in unserem Unternehmen die Leistung bringen, die wir von ihm erwarten?”
z.B. “Wird diese neue Marketingstrategie wirklich den Erfolg haben, den wir uns davon versprechen?”
Doch es gibt Fehler, die sich vermeiden lassen, wie Prof. Dr. Phil Rosenzweig in seinem Buch “Der Halo-Effekt. Wie sich Manager täuschen lassen.” treffend beschreibt.
Weiterlesen„Das Merkmal ausgezeichneter Intelligenz ist die Fähigkeit, gleichzeitig zwei widersprüchliche Ideen im Kopf zu haben und trotzdem funktionsfähig zu bleiben.“
F. Scott Fitzgerald
Zwickmühlen oder Dilemmata scheinen in unserem persönlichen Kosmos und in der heutigen Unternehmenswelt an der Tagesordnung zu sein:
- Soll ich die Erwartungen anderer erfüllen ODER meine Bedürfnisse?
- Sollen wir unsere Produkte eher standardisieren ODER eher ganz individuell auf den jeweiligen Kunden abstimmen?
- Soll ich an mir arbeiten ODER soll ich mich eher so annehmen wie ich bin?
- Sollen wir uns lieber auf den Ausbau von Serviceleistungen konzentrieren ODER auf Kosteneinsparnisse?
- Soll ich die Entscheidung lieber rational ODER eher intuitiv treffen?
Bei solchen Fragen kann die „Polarity-Canvas“ nützlich sein, die ich Ihnen im Folgenden vorstellen möchte.
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